Aspekte der täglichen Lebensweise unserer gehaltenen Pferde
Themen:
- Ein Platz zum Leben - Offenstallgestaltung
- Miteinander in der Mensch-Pferd-Herde
- Auf dem Rücken der Pferde
- Thermoregulation
Ein Platz zum Leben - Offenstallgestaltung
Steht dein Pferd noch, oder lebt es schon?
"Wo hast du dein Pferd stehen?" In der Pferde-Szene eine ganz normale Frage.
"Stehen"? Eigentlich hoffe ich, mein Pferd steht nicht allzu viel doof rum, sondern wandert eher mehr mit seinen Herdenkumpels, sucht im Gelände nach essbarem und Trabt und Galoppiert auch mal freudig mit den anderen.
Dieses "Stehen" ist doch ein Überbleibsel aus längst vergangenen Zeiten, als sich kein Mensch darüber Gedanken gemacht hat, was für Bedürfnisse so ein Pferd hat?! Als Ständer- und Boxenhaltung ohne Freigang noch Standard waren?! Aber so weit weg ist das leider gar nicht.
Es gibt immer noch viele Ställe, in denen wirklich die widrigsten Lebensumstände für die Freizeitreit- und Schulpferde, mitten in unserem doch mittlerweile gut aufgeklärten Deutschland herrschen. Einige Besitzer und Reiter kümmert es nicht wirklich, was ihr Pferd erlebt, oder auch nicht erlebt, wenn sie nicht da sind. Für einige zählt nur der eigene Komfort. Aber es gibt auch Menschen, die sind tatsächlich unzufrieden mit den Bedingungen in ihren Ställen, denken aber, sie könnten daran nichts ändern. Sie nehmen die miesen Bedingungen hin und bleiben. Auch wenn es dort, wo sie Einstaller sind, keine oder nur Miniweiden geben mag, auf denen schon lang kein Gras mehr wächst. Auch wenn es nur minikurze "Paddockzeiten" gibt. Auch wenn sie wissen, dass das Pferd im Winter die Box nicht verlassen wird, ausser zum reiten. Auch wenn sie wissen, dass das zur Verfügung gestellte Heu der billigste und minderwertigste Mist ist. Auch wenn sie wissen, dass das Pferd unter diesem Stallbetreiber Hunger leidet, weil er so geizig das miese Heu rationiert. Auch wenn es schier unglaublich scheint, gibt es Menschen, die machen Pferdehaltung an Orten möglich, an denen so ein Lebewesen niemals etwas verlohren hat! Da werden Boxen halb provisorisch in Scheunenecken gezimmert, Paddocks geviertelt und Heuhalme rationiert, nur damit noch mehr Reitersleute ihr Pferd in der Nähe von Zuhause und der Arbeit bereit halten können.
Das wahre Leid trägt allein das Pferd, jeden einzelnen Tag und jede Nacht seines Lebens.
Aber warum hält man das geliebte Pferd an solchen Orten fest, wenn man doch weiß, dass es ihm dort immer an Grundlegendem mangelt und obwohl man ja weiß, was es eigentlich braucht, um zu leben?
Es geht um die Befriedigung der eigenen Bedürfnisse, um die Unterdrückung der eigenen Traurigkeit und der eigenen Probleme und die fehlende Empathie anderen Lebewesen gegenüber.
Es gibt genügend Pferdehalter, die diese Lebensumstände für ihr Pferd bewusst in Kauf nehmen, nur damit sie ihren eigenen Traum leben können, den Traum vom eigenen Pferd.
Aber der Traum des einen, darf nicht zum Albtraum des anderen werden!
Von ihren Gönnern abhängig. Ihrer Selbstbestimmung und Freiheit beraubt. Unfähig ihre Natur und Bedürfnisse auszuleben. In einem Käfig, schlimmstenfalls ihr Leben lang völlig isoliert. Gerechtfertigt dadurch, dass wir uns ja "gut" um unsere Tiere kümmern, wenn wir dann da sind ...
Die Nachfrage bestimmt das Angebot!!!
Also: Steht dein Pferd noch oder lebt es schon?
Bei ihren täglichen Wanderungen zwischen den verschiedenen „Esszimmern“ der Natur und auch auf dem Weg zu den Wasserstellen, laufen freie, wilde Pferde natürlich viele Kilometer, vorwiegend doch aber im Schritt oder lockerem Trott. Es ist also absolut richtig, dass Nahrungsaufnahme und Bewegung an sich Hand in Hand gehen. Dennoch ist es ein fataler Irrtum zu denken, dass Pferde auf der Suche nach Nahrung viel laufen müssen! Lest noch einmal den ersten Satz. Nur so herum ist es nämlich richtig! Die Pferde fressen verschiedenste Pflanzen, die an verschiedensten Plätzen wachsen. Um von allem Kosten zu können, bewegen sie sich dafür von Platz zu Platz und dadurch kommt die tägliche Menge an Bewegung zu Stande. Je nach Jahreszeit ist diese auch noch sehr variabel. Im Sommer und Herbst muss sich kein Pferd auf der Suche nach Nahrung groß bewegen. Wirklich freie Pferde müssen in ihrem Lebensraum seltenst nach ihrer Nahrung suchen. Denn ihre Nahrung ist überall um sie herum! Ständig!
Niemals würde ein freies Tier die Ressourcen in seinem Umfeld so ausbeuten, wie wir Menschen dies tun. Wenn ihr eure Pferde beim Grasen auf der Weide und beim „Wander-Grasen“, wie ich es oft nenne, beobachtet, werdet ihr feststellen, dass sie nie eine Stelle, sei sie auch noch so lecker, bis auf die Grasnarbe runter fressen. Sie rupfen immer nur ein- bis zweimal etwas von einem Büschel Grün ab und gehen dann einen Schritt weiter. So lassen sie ganz selbstverständlich immer genug von jeder Pflanze stehen, damit diese sich wieder gänzlich gesund erneuern kann. Das zeigt sehr deutlich, dass unser modernes Weidemanagement, wie z.B. die Magerwiesen absolut das Gegenteil von gesund und natürlich sind – weder für die Weide noch für die Pferde mit ihrem eigentlichen Essverhalten.
Wir gestalten die Weiden, Paddocks und Trails möglichst vielseitig mit allerlei Kräutern, Büschen und Bäumen, die unseren Pferden, uns selbst und den wilden Tieren, die mit uns leben, Nahrung und Schutz bieten.
Pflanzenvielfalt als natürlicher Mineralstofflieferant
Pferde sind keine reinen "Grasfresser", sie sind Pflanzenfresser! Das ist ein Unterschied wie Tag und Nacht. Sie brauchen eine große Vielfalt aus allen Pflanzen und Pflanzenteilen, die in ihrem Lebensraum, in der entsprechenden Vegetationszone vorkommen. Dazu gehören junge, frische Gräser genauso wie lange, holzige, braune Grashalme mit ihren Samenkörnern bespickten Wedeln, Moose & Flechten, Büsche & Sträucher, frische Blätter & Laub, Knospen, Blumen und Blüten, Rinden von lebenden Bäumen genauso wie Totholz (grade in totem Holz lebt eine ganze Menge, was wir nicht sehen können!), Wurzeln und allerlei verschiedene Früchte, die wir landläufig als Obst- und Gemüse bezeichnen. Die Pferde suchen sich aus dem gesamten Repertoire genau das raus, was ihr Organismus benötigt, um ganzheitlich gesund zu leben. Das passiert ganz instinktiv.
Leider steht die wundervolle, natürliche Artenvielfalt der Pflanzenwelt unseren Pferden in Gefangenschaft nicht wirklich zur Verfügung. Sie bekommen nur das, was wir ihnen geben bzw. auf der Weide das, was sich nach jahrzehntelanger Monokulturisierung und Überweidung noch traut, da zu wachsen. Das Pferd kann nur das fressen, was auf der ihm zugeteilten, begrenzten Fläche zur Verfügung steht.
Aber wir könnten das Problem aller Krankheiten an der Wurzel packen und unsere Offenställe und Weiden umstrukturieren, wieder mehr in Richtung Artenvielfalt und damit auch pferdegerechter. Ihr braucht dafür auch kein spezielles Pferdeweidengras, ihr braucht nur eine Vielfalt an Pflanzen!
Dann haben die Pferde nämlich auch die Chance zu wählen, anstatt nur zu schlingen.
Die umgangssprachliche „Wiese“ besteht, wenn man sie denn lässt, grob gesagt aus zwei Hauptgruppen an Gräsern, den Untergräsern und den Obergräsern. Untergräser sind knackig grün, kurz- und vielblättrig, weich und damit Rohfaserarm, aber reich an Energie, Eiweiß und alldem und sie schließen die Grasnarbe dicht ab, so dass der Boden geschützt ist vor direkter Austrocknung und es können sich bei dichter Grasnarbe auch nur schwer unerwünschten Pflanzensamen einnisten. Obergräser sind die langstängeligen, braunen, holzigen Gräser mit den Büscheln (Blüten, Früchten, Samen) am oberen Ende. Sie verdecken einem im Sommer auf dem Land immer an der Kreuzung die Sicht, so hoch werden die. Diese sind Rohfaserreich, Energiearm aber die Samen sind voll gepackt mit Nährstoffen.
Übrigens, es gibt kein „Unkraut“. Wir bezeichnen einige Pflanzen nur so, weil sie für uns keinen offensichtlichen Nutzen haben. Aber nur weil wir nicht wissen, was diese Pflanzen alles können, heißt das nicht, dass sie nutzlos sind! Unsere Pferde dagegen wissen sehr gut, wozu welches Kraut da ist. Denn sie sind Kinder der Natur, mehr als wir Menschen es wohl jemals sein können.
Pflanzen wir dann noch verschiedene Sträucher, Bäumchen und Kräuter in Reichweite unserer Pferdenasen, damit sie sich bei Bedarf frei daran bedienen können! Wenn man einen festen Zaun um eine passend zusammengestellte grüne Insel im Paddock errichtet, ist der Hauptteil der Pflanzen vor völligem Verbiss geschützt, aber alles was darüber hinaus ragt dient den Pferden als gesunder Snack und Beschäftigungsanreiz. Ich werde auch regelmäßig zum Lieferdienst für meine Pferde. Ich sammle selbst verschiedene frische Pflanzen, Kräuter und Zweige und schleppe alles zum Stall. Denn beim gemeinsamen Spazieren gehen, kommt man mit dem Pferd ja nicht immer überall hin, wo gerade etwas begehrenswertes wächst und man hat ja auch nicht täglich Zeit, stundenlang mit den Pferden wandern zu gehen.
Die Renaturierung von Paddock- und Weideflächen sollte Hand in Hand gehen mit dem Schaffen von ständigen Bewegungsanreizen für die gesamte Herde. Auf einem quadratischen Paddock und einer abgefressenen Wiese ist alles schnell erkundet. Wenn man die Möglichkeiten hat um seine Weiden, zusammenhängend mit dem Paddock eine Laufbahn, einen sogenannten Trail zu erschaffen, den man mit verschiedenen Stationen interessant gestaltet, sind die Pferde von selbst viel mehr in Bewegung und laufen die verschiedenen Stationen immer wieder ab. Diese Stationen könnten neben Busch- und Baumbestand auch mehrere Heustationen sein, ein Haufen Totholz, die Mineralsteinbar oder eine Kräuterkiste, ein Hügel Erde oder Sand und die Wasserstelle, die sich eben nicht direkt beim Heu befindet. Verschiedene, vor allem aber feste Untergründe sorgen bei jedem Schritt durch den vorhandenen Bodengegendruck für Hufmeachnismus! Diesen brauchen wir grade bei Stoffwechsel- & Hufkranken Pferden ganz besonders.
Miteinander in der Mensch-Pferd-Herde
Ganz früher, vor 10 Jahren round about, war ich im Umgang mit dem Pferd wahnsinnig Dominant und seinen Grenzen gegenüber kompromisslos und uneinsichtig - innerlich blind und taub, über viele Jahre nicht in der Lage, ihre alltägliche missliche Lage zu erkennen und zu ändern. Dann kam ich über das übliche Horsemanship, wo man die Pferde so lange unter psychischen Druck setzt, bis sie sich dem Menschen mehr oder weniger freiwillig unterordnen und gehorchen . Der "normale" Umgang mit dem Pferd in so ziemlich jeder Sparte ist sehr brutal und weit, weit entfernt von seinem Naturell.
Aber was freie Pferde nur in absoluten Ausnahmesituationen machen, ist sich zu jagen, zu prügeln, ein anderes Pferd unaufhörlich penetrant zu verfolgen oder zu hetzen oder ihm seine Autorität aufzwingen. Jedes Herdenmitglied kann sich seinen Familienanschluss frei aussuchen. Kein Hengst, der einer seiner Stuten ungeeignet scheint, wird diese lange halten können. Aber all diese Sachen tun wir tagtäglich mit unseren gehaltenen Pferden.
Was freie Pferde tatsächlich gemeinsam tun, um ihre Zusammengehörigkeit und Bildung zu stärken, ist einfach zusammen sein, eng beieinander stehen und ruhen, zusammen wandern, miteinander gleichberechtigt spielen und rennen, sich gegenseitig intensiv bekraulen und wenn sie wirklich enge Freunde sind, werden sie sich auch zusammen die beste Stelle Gras teilen. Wenn du dir dein Pferd zum Gefährten wünscht, dann ist meiner Meinung nach ein Weg, der geprägt ist von Gehorsam und Erziehung, definitiv ungeeignet. Verabschiede dich vom üblichen Dominanzgehabe und den mannigfaltigen Trainingsmöglichkeiten, um dein Pferd nach deinen Vorstellungen zu formen.
Um eine Verbindung in der Tiefe von echter Herdenzusammengehörigkeit mit deinem Pferd zu erreichen, musst du bereit sein, seine Natur mit ihm zusammen zu leben. Stehe und Gehe mit ihm gemeinsam in SEINEM Alltag. Werde ein Teil der Herde. Wenn du mit deinem Pferd "arbeitest", verzichte auf unermüdliches treiben und schicken. Überlege, wie du euer Zusammensein und notwendige Alltagsdinge einfach anders realisieren kannst, so dass es deinem Pferd auf ganz natürliche Weise leicht fällt, etwas für dich zu tun oder zu ertragen (wie. z.B. still stehen oder bei Seite gehen). Behandle die Pferde mit dem gleichen Respekt, den du die von ihnen wünscht. Worte wie Bitte und Danke und ehrlich gemeinte Fragen und Bitten an das Pferd, anstatt plumpe Kommandos und Befehle, wirken wahre Wunder im Umgang miteinander. In dem du deine Innere Einstellung auf höflich, freundlich und liebevoll stellst, bei allem was du in der Nähe eines Pferdes tust, wirst du das als Energie um dich herum aussenden. Die Pferde sind so wahnsinnig fein, was das Erspüren von Energie angeht.
Mittlerweile kann ich meine Rafah sogar an der Hand und unterm Sattel arbeiten, alles auf Basis von Freundlichkeit, Verständnis und freiwilliger Mitarbeit.
Und nimm dir Zeit, wenn du beim Pferd bist. Pferde machen alles mit viel mehr Gemächlichkeit als wir Menschen. Wir sind so hektisch und unruhig und mit dem Kopf überhaupt nicht da, wo wir mit dem Körper sind. Die Pferde reagieren auch darauf sehr feinfühlig.
Wenn du möchtest, dass dein Pferd dich mag, dann fummel nicht an deinem Pferd rum, sondern arbeite an dir selbst. Überlege dir, wie musst du sein, dass ein Pferd dich als Gefährten wählen wollen würde. Beobachte die Herde, lerne von ihnen, werde ein Teil von ihnen, ohne dich aktiv aufzudrengen. Das ist die Kunst, meiner Meinung nach.
Hauptbeschäftigung: Dem Pferd beim Essen zusehen ...
Essen im Wald ...
Nahrungsbeschaffungsmaßnahme im Winter ...
Pferde brauchen auch die Blätter von Büschen und Bäumen als Nahrung
Zusammen wandern <3
Auch mal zusammen Baden
Wandern
Ich liebe Wandern mit den Pferden <3
Und Rafah am Fahrrad flitzen lassen ist auch ziemlich toll
Kuscheln
Ein kleines bisschen Bodenarbeit
Wandern von Anfang an
Kuscheln
Waaaandern ;)
Wenn Wandern grade nicht möglich ist, kommt das Gras halt zum Pferd
Rafah Blödsinn beibringen
Auf dem Rücken der Pferde
Ich habe meine Pferde nicht (mehr), weil ich reiten will. Ich habe auch keine Reitpferde. Ich habe einfach Pferde. Sie sind für mich ein Teil der Familie und ich erfreue mich jeden Tag an ihrem Dasein, sie zu beobachten, wie sie ihr Leben gestalten, wie sie lernen und sich entwickeln. Ich liebe es, mit Ihnen Dinge zu erarbeiten und die Welt zu erkunden.
Ich liebe es, genauso wie das nebeneinander, miteinander Laufen, mich auf dem Rücken meines Pferdes ein Stück des Weges tragen zu lassen. Weil es einfach ein wunderschönes Gefühl ist. Aber ich will gleichzeitig nicht, dass das Pferd dadurch körperlichen Schaden nimmt oder ich ihm psychisch zusetze, dadurch, dass es sich genötigt fühlt etwas für mich auszuhalten, was es eigentlich nicht leisten kann oder tun möchte. Meine Pferde sind mir nichts schuldig und müssen grundsätzlich erstmal nichts für mich tun, nur weil ich sie "benutzen" will.
Ich bin ca. 4 Jahre gar nicht mehr auf irgendeinem Pferd gesessen, weil ich es absolutes Unrecht fand. Und natürlich ist es Unrecht, ein Lebewesen einfach zu benutzen. Und erst recht, wenn es doch deutlich Nein dazu sagt.
Dann habe ich über gut durchdachte Handarbeit zur Erarbeitung von notwendiger Beziehung, Bewegungskompetenz und Kraft einen Weg gefunden, der das Pferd sowohl physisch als auch psychisch sanft auf das Geritten werden vorbereitet.
Heute gehen wir den "bückeburger Weg", barockes Reiten, in Leichtigkeit mit dem Ziel, sein Pferd kraftvoll und schön zu reiten.
Auf dem Weg nach Hause ein Stück getragen werden
Thermoregulation
Ich möchte an dieser Stelle niemandem, der meint sein Pferd unbedingt eindecken zu müssen, eine Predigt halten. Ich möchte euch nur erläutern, welche Auswirkungen eine Decke auf den Organismus des Pferdes hat.
Die natürliche Wohlfühltemperatur von Pferden befindet sich eher im unteren Bereich, der bei uns üblichen Termperaturskala, ideal ist trockene Kälte. Dazu passt auch der Fakt, dass Pferde schnell überhitzen. Von erfrohrenen Pferden habe ich dagegen noch nie gehört. Die Pferde, die trotzdem generell schnell zittern, stehen (wortwörtlich gemeint!) oft auf Paddocks, auf denen es an Bewegungsreizen mangelt. Dass Pferde von sich aus stumpf im Kreis laufen, damit ihnen warm wird, werdet ihr wohl nie sehen.
Generell gilt bei allem, ein Organismus muss den Einflüssen von Aussen, denen er standhalten soll, auch regelmäßig ausgesetzt werden. Stichwort Training. Man kann nicht nur Muskulatur trainieren oder Denksport machen, auch ein Immunsystem kann und muss trainiert werden.
Zeit zum Fellwechsel
Für den Startschuss zum Fellwechsel Sommer zu Winter und umgekehrt gibt es keinen „Stichtag“. Es ist mehr ein Zusammenspiel von Klimabedingungen, Sonnenstand, Gesundheitszustand des Tieres und „biologischer Informationen“ der aufgenommenen Nahrung. Dennoch können viele Pferdehalter, die ihre Tiere im AL-Stallmanagement halten, beobachten, dass sich zu den Sonnenwenden bzw. kurz darauf die ersten paar Haare aus dem Fellkleid ihrer Pferde lösen. Die Wintersonnenwende, jedes Jahr am 21./22. Dezember ist der Zeitpunkt, an dem der kürzeste Tag und die längste Nacht herrscht. Ab dann wird es jeden Tag etwas länger hell sein. Zur Sommersonnenwende, je am 20./21. Juni eines Jahres herrscht der längste Tag und die kürzeste Nacht. Es beginnt jeden Tag ein paar wenige Minuten eher dunkel zu werden.
Pferde, die ganz natürlich 24h/365d im Offenstall leben, erleben tagtäglich die Verschiebung der Tag-/Nacht-Dauer. Der Organismus adaptiert diese Entwicklung ganz natürlich und stellt sich dementsprechend genauso sanft auf die neuen Umweltbedinungen ein.
Oft bestimmt die Rasse der Pferde die Menge und Beschaffenheit des Winterfelles mit. Wenn aber einige Grundvorraussetzungen in der Pferdehaltung erfüllt sind, wie wir sie im AL-Stallmanagement anstreben, dann wird eigentlich jedes Pferd direkt alle notwendigen Anpassungen seines Körpers umsetzen können. Auch die Pferde, die aus sehr degenerierten Haltungsbedingungen in einen natürlichen Lebensraum kommen.
- Heufütterung ad libidum
- ausreichend Möglichkeiten zum Unterstellen für alle Pferde
- immer freie Bewegungsmöglichkeiten und Anreize zur Bewegung
- das Zulassen der jahreszeitlich bedingten, natürlichen Gewichtsschwankungen
- das Bereitstellen von allen Notwendigen Nährstoffen durch Hafer, Sämerein, Kräuter, Obst, Gemüse, …
Thermoregulation – Fähigkeit des Körpers der Aufrechterhaltung seiner Kerntemperatur
Das Eindecken, genauso wie das Scheren, stört diesen natürlichen Prozess.
Das Pferd kann sein Fell durch die Haarbalgmuskeln beliebig stark aufstellen oder anlegen, wir nennen das bei uns „Gänsehaut“. Dadurch sorgt es für sein optimales Maß an Wärmeisolation oder Wärmeabgabe. Diese Muskeltätigkeit muss genauso trainiert werden, wie alle anderen Muskeln im Pferd und mit einer Decke wird das Nutzen dieser kleinen Muskeln unterbunden. In der Folge bilden sie sich zurück und verkümmern. Damit wird dem Pferd auf Dauer die selbstständige Wärmeregulation genommen, an den Stellen, wo die Decke zum Liegen kommt. Das gilt nicht nur für Regen- & Winterdecken. Auch wenn Pferde im Sommer ständig Fliegen- & Ekzemerdecken tragen müssen, stören diese gleichermaßen. Zudem wird es von Frühjahr bis Herbst, wo die Pferde kurzes Fell tragen, in den Nächten trotzdem verhältnismäßig kalt. Mit kurzem Fell, dass sich nicht zu „Gänsehaut“ aufstellen kann, sind sie bei z.B. einem Regenschauer in der Nacht nicht ausreichend geschützt.
Wer hat nicht schonmal sein Pferd im Frühjahr oder Sommer nach einem Schauer zitternd auf der Weide vorgefunden? Da melde ich mich direkt für meine Nina. Es war zu der Zeit, als ich noch geritten bin, etwa anfang Mai, Nina war im Winter zuvor erstmals eingedeckt und ich hatte schon lange sehr akribisch jedes lange Winterhaar von ihrem Körper gebürstet.
Ein weiterer, sehr erhaltenswerter Zustand ist das Gleichgewicht von Dreck und Talg auf Haut und Haar des Pferdes. Im ungehinderten Zusammenspiel wirken sie imprägnierend, ohne dass das Haarkleid durch zu viel Talg verklebt. Durch regelmäßiges Wälzen, oft am Liebsten auf sandigem Untergrund, sorgt das Pferd für optimale Verhältnisse auf seinem Körper. Diese Imprägnierung kann sich unter einer Decke nicht bilden bzw. überschüssiger Talg, der nicht verteilt und entfernt werden kann, führt zu lästigem Juckreiz. Ständiges, akribisches Putzen entfernt zu viel Talg und zerstört damit wiederum den Nässeschutz des Fells. Ich putze höchstens noch grob drüber, um das Fell wieder „aufzuflauschen“, wenn sie sich im Matsch gewälzt haben. Damit ist dann meinem menschlichen Bedürfnis nach Körperpflege am Pferd genüge getan. Wenn das Pferd jedoch in einem richtig guten Offenstall lebt, braucht man es auch nicht zu bürsten, denn das ausgelebte, natürliche Verhalten durch Wälzen und gegenseitiger Fellpflege erledigt das auch sehr gut!
Der natürliche Gewichtszyklus der Pferde
Wild lebende Pferde und in Gefangenschaft lebende Pferde mit AL-Stallmanagement folgen ihrem natürlichen Gewichtszyklus.
Das umfangreiche Nahrungsangebot (frische, energiereiche Gräser und Blätter, reife Samen und Früchte) von Frühjahr bis in den Spätherbst hinein sorgen dafür, dass die Tiere zunehmen. Aus dieser Nahrung ziehen sie natürlich die Nährstoffe, mit denen sie ihr dichtes Winterhaarkleid produzieren. Die Fettschicht isoliert zudem den Körper und sorgt zusammen mit dem Fell eben dafür, dass das Tier in der langen Zeit der Dunkelheit, Nässe, Kälte und der eisigen Winde nicht unterkühlt und erfriert.
Zum Frühjahr hin nehmen die Pferde langsam wieder ab. Auch unsere gehaltenen Pferde im AL-Stallmanagement. Und dass obwohl wir sie nie im Futter begrenzen. Aus eigenen Beobachtungen kann ich sagen, dass so ab Mitte Januar bei meinen Pferden sichtbar die Kilos purzeln. Das muss man aber oft erst einmal selbst mit erleben, bevor man es glaubt. Oder ihr macht es wie ich, schmeißt euer Herz voraus, glaubt ganz fest an die Menschen, die euch versichern, es ist genau so und zieht es einfach so durch!
Neben ordentlich ausgebildetem Winterfell und der gebildeten Fettschicht, ist das zur Verfügung stehende Raufutter essentiell! Bei jedem Verdauungsprozess wird Wärmeenergie freigesetzt. Bei geeignetem Raufutter, also Heu, das stetig verdaut werden kann, ist es von innen heraus immer warm. Ohnehin sollten Pferde immer uneingeschränkt ihr Grundfutter Heu mümmeln können, um einfach ihre natürlichen Bedürfnisse zu stillen. Begrenzt man irrwitziger Weide den Zugang zum Raufutter, führt das beim Pferd zu andauerndem Stress und der wirkt sich immer negativ auf das Immunsystem aus. Auch und gerade im Winter sollte man die natürlichen Grundsätze der Pferdefütterung bedenken und Heu ad libidum zur Verfügung stellen. Aus eigener Erfahrung kann ich sagen, dass die Pferde im Winter oder wenn es nass-kalt ist, eher Rohfaserreicheres (grobes) Heu vorziehen. Der Verdauungsvorgang dauert hier einfach länger, es hat damit einen höheren Heizwert als sehr feines, weiches Heu.
Empfindliche Rücken
In den Wintern als ich noch geritten bin, musste ich Nina immer wieder mal die Decke drauf tun, wenn sich nasskaltes Wetter angekündigt hatte, weil sonst an Reiten überhaupt nicht zu denken war, so steif und empfindlich im Rücken war sie dann. Das Fell in der Sattellage war auch eigentlich immer kürzer, als sonstwo am Körper und stets platt gedrückt, auch wenn wir garnicht täglich geritten sind. Im ersten Winter ohne Reiten, war ihr Rücken das erste Mal wieder deutlich besser geschützt durch längeres, aufgestelltes Fell. Doch auch im zweiten Winter, nachdem sie nun schon fast 2 Jahre nicht mehr geritten wurde, ist das Fell in der Sattellage nicht so lang, plüschig und weich wie sonst überall rund herum.
Der Druck und das Reiben in der Bewegung von Satteldecke, festgezurrtem Sattel und Reitergewicht zerstören das Fell an diesen Stellen. Einmal schubbert die Satteldecke durch die ständige Bewegung und den Druck auf dem Rücken die Haare kaputt, ähnlich wie, wenn wir Mädels uns nach dem Haare waschen diese mit einem Handtuch kräftig Trockenrubbeln. Hier wissen aber die Meisten Damen, dass das die Haare kaputt macht. Dann haben wir noch das reine Reitergewicht, welches unweigerlich Schäden am Weichgewebe in der Sattellage hervorruft. Die kleinen Blutgefäße sterben ab, die Muskeln atrophieren und dadurch kann sich dort auch kein ausreichendes Fell mehr bilden. Der Schaden auf Ninas Rücken, der durch die Reiterei entstanden ist, wird niemals mehr ganz rückgängig zu machen sein, denke ich.
Ein Pferd friert erst, wenn es zittert. Das kann passieren, wenn die Herde es sich nicht unterstellen lässt, wenn es nicht genug freie Bewegung bekommt, wenn es keine Fettreserven bilden konnte oder durfte oder wenn kein Raufutter zur Verfügung steht. Alles Umstände, an denen wir Menschen maßgeblich Schuld sind durch grobe Fehler im Stall- und Fütterungsmanagement.
Ausgeprägtes Winterfell bei einem Pferd, dass aus der Wüste stammt...